Eine Exothermie beherrschbar machen – Teil 1

Zu den großen Herausforderungen im Chemielabor zählt sicherlich die Exothermie. Werden zwei oder mehrere Stoffe zusammen gebracht, können exotherme Reaktionen auch schnell zu einem Sicherheitsrisiko werden. Weit verbreitet sind heute kontrollierte Reaktionen.
Abb. 1: Temperaturdiagramm einer exothermen Reaktion

Hierbei wird in der Regel ein Stoff zuerst in ein geeignetes Gefäß (z.B. eine Glasdoppelmantel) eingebracht. Der Reaktor ist mit einem Temperiergerät verbunden, das den Doppelmantel des Reaktors temperieren kann. Durch das Temperiergerät und den Doppelmantel des Reaktors fließt dann eine Temperierflüssigkeit. In der Regel befindet sich im Reaktorkern ein Prozessfühler, der die Prozesstemperatur misst und an das Temperiergerät liefert. Primäre Aufgabe des Temperiergerät es ist es dann, auf den Sollwert zu regeln. Bei einer Exothermie (z.B. durch Einleitung eines weiteren Stoffes in den Reaktorkern) muss das Temperiergerät die Exothermie möglichst schnell und sicher ausregeln.

Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Vorgänge:

Der Sollwert (dunkelblau) soll z.B. 20°C betragen. Neben dem Sollwert sind auch die Vorlauftemperatur (hellblau) und die Prozesstemperatur (rot) im Temperaturdiagramm dargestellt. Nun wird der Ablauf etwas näher beschrieben:
(1) Im Reaktorkern kommt es zu einer Exothermie. Die Prozesstemperatur steigt!
(2) Die Manteltemperatur reagiert etwas verzögert und arbeitet gegen die Exothermie. Die Manteltemperatur fällt!
(3) Die Exothermie konnte abgefangen werden. Die Prozesstemperatur erreicht den Maximalwert, die Manteltemperatur erreicht den Minimalwert.
(4) Die Exothermie kann kontrolliert beim gewünschten Sollwert betrieben werden. Zwischen Prozesstemperatur und Manteltemperatur stellt sich ein charakteristisches Delta T ein.
Abb. 2: Darstellung eines Doppelmantelreaktors

(5) Ist die Exothermie beendet, fällt die Prozesstemperatur weiterhin, da die Manteltemperatur noch unter dem Prozesswert liegt. Die Manteltemperatur steigt jedoch schnell an und erreicht in der Regel ein Maximum, das etwas über dem Sollwert liegt. Die Prozesstemperatur erreicht ein Minimum und nähert sich wieder (beeinflusst durch die Manteltemperatur) dem gewünschten Sollwert.

(6) Der Prozess ist wieder im Gleichgewicht
Welche Herausforderungen ergeben sich nun bei einer derartigen Exothermie?
Ein genauer Blick auf die Thematik und die Applikation lohnt sich. Klar, eine Aussage über die Exothermie und die zeitliche Entwicklung ist schwer. Zumal die Energie durch den Reaktor und das Temperiergerät aufgefangen werden muss. Betrachten wir deshalb hier einmal den Reaktor:

 

Der Reaktor

Abb. 3: Zeitlicher Temperaturverlauf in einem Triple Wall Reaktor (oben) im Vergleich mit einem Doppelmantel Reaktor (unten)

Auch hier gilt: Reaktor ist nicht gleich Reaktor.

Wie in Abbildung 1 gezeigt, reagiert die Prozesstemperatur auf die Manteltemperatur. Für den Mantel des Reaktors gilt also, dass die „Kälteenergie“ ohne große Verzögerung durch den Mantel in den Prozess gelangen muss. Das Mantelmaterial, die Mantelstärke und auch der Spalt (Abstand Mantelinnenwand und Mantelaußenwand) spielen eine zentrale Rolle. Im Prinzip gilt:

  • Je besser die Wärmedurchgangszahl, desto besser der Energietransfer
  • Je dünner die Mantelstärke zum Prozess, desto besser der Energietransfer
  • Je größer der Spalt, desto besser der Energietransfer
Abb. 4: Temperaturverteilung im Triple Wall Reaktor (links) im Vergleich mit einem Doppelmantel Reaktor (rechts)

Neben diesen Faktoren spielen noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Hierbei ist auch der innere Aufbau des Reaktors zu beachten. Viele Reaktorhersteller liefern Glasgefäße mit glatten Mantel-Innenwänden. Das kann Probleme bereiten. Wie nachfolgend erläutert wird:

Glasreaktor mit glatter Innenwand und Glasreaktor mit Strömungsstörer

Abbildung 2 zeigt links einen klassischen Doppelmantelreaktor. Die Temperierflüssigkeit wird am unteren Anschluss zugeführt und fließt am oberen Anschluss wieder zurück zum Temperiergerät. Bei einem Triple Wall Reaktor (rechts) mit Strömungsstörer fließt die Temperierflüssigkeit auch am unteren Anschluss in den Mantel und oben wieder zurück. Wie in diesem Artikel erläutert wird, ist diese Technik ist dem klassischen Reaktor jedoch überlegen.

 

Zeitlicher Temperaturverlauf der Manteltemperatur
Abb. 5: Dynamisches Temperiersystem mit Glasreaktor

Abbildung 3 zeigt, dass ein Triple Wall Reaktor bereits nach etwa 15 Minuten die Temperatur erreicht hat. Ein klassischer Doppelmantelreaktor braucht deutlich länger. Durch den Einsatz eines Triple Wall Reaktor lässt sich somit positiv Einfluss auf das Delta T zwischen Manteltemperatur und Prozesstemperatur nehmen. Das Delta T wird kleiner werden. Der Versuch wird schneller ausgeregelt. Mehr Sicherheit ist die Folge. Ein weiterer positiver Effekt für das Temperier gut im Reaktorkern ergibt sich durch die homogene Verteilung der Temperatur im Mantel. Abbildung 4 zeigt links die Temperaturverteilung im Triple Wall Reaktor und rechts die Temperaturverteilung im klassischen Doppelmantelreaktor. Im Doppelmantelreaktor ist deutlich eine Zone mit unterschiedlicher Temperatur zu sehen.

 

Fazit

Eine Exothermie lässt sich besser, nämlich schneller und sicherer durch einen Triple Wall Reaktor mit Strömungsstörer ausregeln. Neben Schnelligkeit und Sicherheit bietet ein solcher Reaktortyp auch noch eine qualitativ bessere Prozessgüte, da Temperaturzonen innerhalb des Reaktormantels vermieden werden.

Haron Sekkai

Haron Sekkai

Haron Sekkai betreibt ein Ingenieurbüro, das sich auf Temperieraufgaben im Labor, Kilolabor und Technikum spezialisiert hat. Er unterstützt Kunden im Chemie- und Pharmabereich sowie im Automotivbereich bei Fragen zur Temperiertechnik und hilft bei der Planung und Umsetzung von Temperieraufgaben. Haron Sekkai verfügt über eine langjährige Erfahrung im Bereich Temperiergeräteentwicklung und Temperiergeräteauslegung für Endkunden. www.ingbuero-hs.de