Die Bedeutung des Volumenstroms bei der Leistungsübertragung von Temperiergeräten

 

Abb. 1 Standardapplikation

Bei Planung, Auslegung, Aufbau und beim Betreiben einer Standardapplikation in chemischen und chemisch pharmazeutischen Laboren (bestehend aus Temperiergerät, Doppelmantelgefäß, Thermofluid und Temperierschläuchen), gemäß Abbildung 1, werden oft elementare Fehler begangen. Das Resultat ist dann, dass die Gesamtapplikation nicht optimal arbeitet, aber der Anwender mit dieser Lösung leben muss.

Die in einem Pflichtenheft stehenden Vorgaben können zwar bei der Auslegung theoretisch berechnet werden, aber erst der Praxistest zeigt dann die ungeschminkte Wahrheit. Stimmt die Praxis nicht mit der Theorie überein, suchen die Verantwortlichen händeringend nach Erklärungen und stellen Theorien auf, die aber nicht immer überzeugen können. In diesem Beitrag möchte ich das Thema Volumenstrom bei der Temperierung eines Doppelmantels behandeln.

Heiz- und Kälteleistung

Wie in meinen vorherigen Beiträgen erwähnt, sind die Heizleistung und die Kälteleistung wichtige Größen für die Auslegung von Temperiergeräten. In diesen Fachbeiträgen bin ich unter anderem auch auf die Vergleichbarkeit von Temperiergeräten unterschiedlichster Anbieter eingegangen. Nach wie vor verlassen sich auch Ingenieurbüros, die Gesamtanlagen planen und projektieren, oft nur auf die Leistungsdaten (Heizleistung und Kälteleistung). Eigentlich sollten Ingenieurbüros den Zusammenhang von Leistungsübertragung bei unterschiedlichen Volumenströmen aber besser kennen. Ein Trugschluss ist z.B. die Annahme, dass die Leistungsübertragung in erster Linie vom “Wärmedurchgang” des Doppelmantelgefäßes abhängig ist und der Volumenstrom nur eine untergeordnete Rolle spielen würde.

Es stimmt zwar, dass der „Wärmedurchgang“ eine wichtige Rolle spielt, wenn aber das Doppelmantelgefäß vorgegeben ist, spielt der Volumenstrom auch eine sehr wichtige Rolle! Da der Volumenstrom einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsübertragung hat, darf dieser nicht unterschätzt oder ignoriert werden.

Nicht selten wird bei Kundenreklamationen versucht, den „schwarzen Peter“ den Endkunden in den Laboren zuzuschustern. Sollen doch die Endkunden erstmal beweisen, dass der Fehler beim verantwortlichen Ingenieurbüro oder Projektleiter liegt!

Prinzipiell gilt für die Temperierung mittels Temperiergeräten aber: je höher der Volumenstrom, desto mehr Energie kann transportiert und ausgetauscht werden.

Im Bereich der Temperiergeräte-Auslegung gibt es zwei unterschiedliche Ansätze. Es gibt Temperiergeräte mit hohem Volumenstrom und eher wenig Druckaufbau, dann gibt es Temperiergeräte mit wenig Volumenstrom und hohem Druckaufbau. Auch wenn bei letztgenannten ein kleiner Druck durchaus eingestellt werden kann, verschenkt man hier Leistung. Denn weniger Druck bedeutet bei diesen Temperiergeräten dann noch weniger Volumenstrom.

Pumpenkurve

Wie lässt sich die Aussage „hoher Volumenstrom bedeutet bessere Leistungsübertragung“ aber belegen? Abbildung 2 zeigt Kennlinien von Pumpenkurven. Ideal ist hierbei eine Pumpenkurve mit möglichst hohem Volumenstrom bei wenig Pumpendruck. Denn Doppelmantelgefäße aus Glas können bei zu hohem Pumpendruck zerstört werden.

Abb. 2: Kennlinien von Pumpenkurven

Das führt zu der Annahme, dass bei Glasreaktoren z.B. eine Standard Unistat®- Pumpe (grüne Kurve, Abbildung 2) von Vorteil ist, da diese einen hohen Volumenstrom bei relativ geringem Pumpendruck liefert und somit die Energie deutlich schneller transportiert, als Pumpen mit hohem Pumpendruck und wenig Volumenstrom. Um diese Behauptung sicher und eindeutig belegen zu können, müsste man an der Kundenapplikation die zu vergleichenden Temperiergeräte anschließen und dann unter gleichen Vorgaben und Bedingungen testen.

In unserer Betrachtung sollen deshalb die Heizleistung und Kälteleistung vergleichbar sein, der Volumenstrom jedoch unterschiedlich. Dies zu testen wäre jedoch zeitaufwendig und damit auch teuer. Kaum ein Endkunde wird sich die Zeit hierfür nehmen können, auch wenn es Sinn macht! Wie lässt sich die obige Behauptung dennoch belegen? Nun, das ist gar nicht so schwer, wenn z.B. ein Temperiergerät mit variabler Pumpendrehzahl zur Verfügung steht. Damit lassen sich die Heizleistung und Kälteleistung konstant halten und der Volumenstrom lässt sich variabel über die Pumpendrehzahl einstellen.

Applikation:
Abb. 3 Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau (Abbildung 3) ist relativ einfach gehalten. Ein Glasreaktor wird mittels Temperiergerät (Modell Petite Fleur®) betrieben. Beobachtet und beurteilt wird in Abbildung 4 die Manteltemperatur (Vorlauftemperatur, grüne Kurve). Der Temperatursollwert (weiße Kurve) wird zwischen den beiden Werten +20°C und +5°C entsprechend vorgegeben. Der Volumenstrom wird via Pumpendrehzahl (purpurne Kurve) dargestellt. Im ersten Drittel der Messung liegt die Pumpendrehzahl bei 3000 U/min. Im zweiten Drittel bei 2250 U/min und im dritten Drittel bei 1500 U/min.

Ergebnis:

Sowohl die Anregelzeit, als auch die Ausregelzeit sind im ersten Drittel am besten. Sehr schnell werden bei einem Sollwertsprung der untere und der obere Temperatursollwert erreicht. Im ersten Drittel wird z.B. der Temperatursollwert bei einem Temperatursprung von +5°C auf 20°C in etwa 3-4 Minuten erreicht. Im dritten Drittel dauert es hingegen 7-8 Minuten. Die Behauptung, dass ein hoher Volumenstrom ein besseres Temperierergebnis liefert ist somit belegt.

Darüber hinaus liefert ein hoher Volumenstrom auch ein besseres Regelergebnis. Auch das lässt sich eindrucksvoll in Bild 4 zeigen:

  • Im ersten Drittel werden die Solltemperaturen schon nach wenigen Minuten erreicht.
  • Im zweiten Drittel sind die Ergebnisse schon schlechter.
  • Im dritten Drittel sind die Ergebnisse ganz schlecht, da hier die Solltemperaturen erst nach deutlich längerer Zeit ausgeregelt werden.

Dies hat nicht nur Auswirkung auf die Manteltemperatur, sondern selbstverständlich auch auf die Prozesstemperatur. Denn weniger Leistungsübertragung bei der Manteltemperatur bedeutet auch weniger Leistungsübertragung bei der Prozesstemperatur.

Abb. 4 Darstellung von Temperatursollwert, Vorlauftemperatur und Pumpendrehzahl
Fazit:

Der Volumenstrom ist neben der Heizleistung und Kälteleistung, bei der Auslegung und beim Aufbau einer Applikation unbedingt gleichwertig zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass sich auch zu lange Temperierschläuche oder solche mit zu kleinen Querschnitten den Volumenstrom drosseln und sich daher nachteilig auf den Versuchsaufbau auswirken.

Haron Sekkai

Haron Sekkai

Haron Sekkai betreibt ein Ingenieurbüro, das sich auf Temperieraufgaben im Labor, Kilolabor und Technikum spezialisiert hat. Er unterstützt Kunden im Chemie- und Pharmabereich sowie im Automotivbereich bei Fragen zur Temperiertechnik und hilft bei der Planung und Umsetzung von Temperieraufgaben. Haron Sekkai verfügt über eine langjährige Erfahrung im Bereich Temperiergeräteentwicklung und Temperiergeräteauslegung für Endkunden. www.ingbuero-hs.de